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Schweizer Führungskräfte im Gespräch
Für den Erfolg muss man die Komfortzone verlassen

Madeleine Stöckli, CEO der B. Braun Medical AG, durchlief als Naturwissenschaftlerin und Betriebsökonomin ein breites Feld an Funktionen und ist überzeugt, dass Karrieren nicht durch Zufall entstehen. Man könnte aber auch Chancen verpassen, wenn man sich strikt an einen Plan hält.

Hatten Sie als Kind einen Traumberuf?

Ja, ich wollte Hoteldirektorin werden. Damals waren Hotels noch etwas ganz Besonderes und Faszinierendes für mich.

Heute sind Sie CEO der B. Braun Medical AG. Wie planten Sie Ihre Karriere?

Überhaupt nicht. Karrieren lassen sich nicht planen. Ich hielt stets die Augen offen, war bereit, Risiken einzugehen und packte Chancen.

Würden Sie sagen, Ihre Karriere beruht auf Zufall?

Nein, auf keinen Fall. Meine Karriere verlief aber auch nicht gradlinig nach einem Plan. Von meiner Ausbildung her bin ich sehr breit aufgestellt: Ich bin Naturwissenschaftlerin und Betriebsökonomin. Zudem besitze ich ein Flair für Sprachen. Dieser Hintergrund öffnete mir viele Türen. Als neugieriger und vielseitig interessierter Mensch übte ich verschiedene Funktionen aus, vom Marketing über Forschung und Entwicklung bis hin zur Kommunikations- und Finanzleitung. So bahnte sich mein Weg ins Management.

Was raten Sie anderen, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen?

Wenn man Erfolg haben will, muss man bereit sein, die Komfortzone zu verlassen. Vielleicht möchte ein Aussendienstmitarbeiter Verkaufsleiter werden. Er ist zwar bereit, die Ausbildung dazu zu absolvieren, findet danach aber nicht exakt die Position in dem Produktbereich, den er sich vorgestellt hat. Anstelle einfach abzuwarten, ist es gerade an diesem Punkt wichtig, den Schritt in ein unbekanntes Feld zu wagen. Nur so wächst man und entwickelt sich weiter. Viele sind für solche Opportunitäten nicht offen. Sie halten an einem fixen Plan fest.

Wie erkennt man den richtigen Zeitpunkt für den nächsten Schritt?

Den richtigen Zeitpunkt gibt es nicht. Man muss die Augen immer offenhalten, um zu erkennen, was sich ergibt, und dann den Schritt auch wagen. Gerade Frauen erlebe ich oft als zurückhaltend, wenn es darum geht, eine Chance zu packen.

Haben Sie jede Chance wahrgenommen?

Nein, aus familiären Gründen lehnte ich vor längerer Zeit das Angebot einer internationalen Position ab. Ich habe die Entscheidung nie bereut. Es heisst ja nicht, dass diese Gelegenheit sich nie wieder ergibt.

Welche Hürden stellten sich Ihnen als Frau auf dem Weg ins Management?

Ich empfand die Herausforderungen auf meinem Karriereweg bis heute nie negativ. Und rückblickend möchte ich die Erfahrungen auch nicht missen. Eine schwierige Situation fällt mir dazu ein: Als junge, gut ausgebildete Verkaufsleiterin führte ich einst ein Team, das aus rund 20 Jahre älteren, sehr berufserfahrenen Männern im Aussendienst bestand. Mir wurde eine grosse Portion Skepsis entgegengebracht.

Ein schwieriger Sprung ins kalte Wasser …

Ja, aber auch ein gelungener. Ich fühlte mich angespornt, einen guten Job zu machen, viel zu leisten und zu zeigen, welchen Nutzen ich dem Team bringen kann. Wir hatten eine gute Zeit und selbst lange nach der Pensionierung dieser Kollegen stand ich mit einigen noch in Kontakt.

Ist es für eine Frau schwieriger, sich zu etablieren?

Eine Frau steht wohl in einer männerdominierten Runde mehr unter Beobachtung. Das sieht man ja auch öffentlich bei Diskussionen um Frisuren und Outfits von Bundesrätinnen. Im Gegensatz dazu werden diese von Bundesräten nie kommentiert. Dort wo mehr beobachtet wird, passieren auch mehr Fehler. In allen Gremien, in denen ich sitze, gehören Frauen zur Minderheit. Wichtig ist, dass man sich selbst treu bleibt und sich nicht für andere verstellt oder anpasst.

Sie sind in Ihrer Position für viele Aufgaben verantwortlich: Wie bringen Sie alles unter einen Hut?

Ich bin privat und beruflich gut organisiert und kann Wichtiges / Dringendes von Unwichtigem unterscheiden. Zudem delegiere ich sehr gerne und ohne Bedenken Verantwortung an Mitarbeitende. Dabei gebe ich nicht einfach lästige oder aufwändige Aufgaben ab, sondern übertrage Verantwortung für ganze Projekte. Unsere Mitarbeitenden erhalten dadurch die Chance, sich weiterzuentwickeln.

Was macht B. Braun in Ihren Augen aussergewöhnlich?

Braun besteht aus über 63‘000 Mitarbeitenden, davon arbeiten tausend in der Schweiz – das ist für ein Familienunternehmen eher aussergewöhnlich. Auch unsere Sortimentsbreite von mehreren tausend Artikeln ist einzigartig. Wir erhalten hierarchieübergreifend sehr viel Handlungsspielraum. Die Familie legt zudem Wert auf Nachhaltigkeit.

Nachhaltigkeit ist ein breites Thema. Was macht B. Braun konkret?

Das nachhaltige Gedankengut zeigt sich zum Beispiel beim Aufbau eines neuen Business-Bereichs. Wenn wir Potenzial sehen und glaubhaft machen können, dass eine Entwicklung jedoch länger dauert, dann unterstützt uns der Konzern auch längerfristig. In einem börsenkotierten Unternehmen hätte man da wohl einen schweren Stand.

Welche sind die wichtigsten Eigenschaften, die ein Mitarbeitender bei B. Braun mitbringen sollte?

Die Erfahrung zeigt mir, dass neben der Qualifikation vor allem die Einstellung einer Person entscheidend ist. Wenn der Wille, das Engagement und die Leidenschaft für einen Job da sind, wird vieles möglich. Wir setzten Mitarbeitende aus komplett anderen Bereichen, z. B. Landwirte oder Käser in der Produktion ein. Diese Personen identifizieren sich so stark mit Produkt und Kunden, dass fantastische Resultate erzielt werden.

Braun besitzt Produktionsstätten in der Schweiz. Wie halten Sie dem Kostendruck stand?

Wir müssen jedes Jahr einige Prozent Einsparungen in den Prozessen verzeichnen. Sprich, mit gleichen Personalkosten mehr produzieren.

Das ist ein enormer Druck. Wie gehen Sie und Ihr Team damit um?

Ja, der Druck ist gross, aber er gehört nun mal dazu. Der Druck macht auch kreativ und lässt uns überall nach Potenzialen Ausschau halten. Auch unsere Mitarbeitenden beteiligen sich an der Effizienzsteigerung und gelangen mit Vorschlägen an uns. Erst kürzlich präsentierten Assistentinnen aus dem internen Reisemanagement aus Eigeninitiative Ideen zur Kosteneffizienz in ihrem Bereich.

Auch die Medical Device Regulation (MDR) stellen viele Unternehmen auf die Probe. Wie begegnen Sie der neuen Herausforderung?

Bei dieser Geschichte muss man sich eines bewusst sein: Die neuen Auflagen generieren Kosten, aber keinen Rappen mehr Umsatz. Als grosser Konzern können wir damit umgehen. Wir müssen mehr Ressourcen aufbringen. Schwieriger wird es für KMU’s. Diese werden Mühe haben, die Kosten zu stemmen. Kleinere Wettbewerber werden dadurch essenziell bedroht. Für die Schweizer Wirtschaft finde ich das eine ungesunde Entwicklung.

Wie sehen Ihre Zukunftsvisionen aus?

Hinter unseren Arbeitsplätzen stehen Menschen mit ihren Familien, deshalb ist es mir ein persönliches Anliegen, in diese zu investieren. Wir wollen weiterhin erfolgreich sein. Ich bin zuversichtlich, dass wir auch in Zukunft höchste Qualität für unsere Kunden liefern.

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